Wie die Inflation die Mittelschicht ärmer macht

Eine Preissteigerung von 6,2% wie im Jänner 2022 war seit Jahrzehnten nicht zu verzeichnen

Das Schreckgespenst Inflation ist wieder zurück. Mit 6,2% Preissteigerung lag Bozen im Jänner 2022 italienweit an der Spitze. Da entsteht gerade erhöhter Handlungsbedarf. Angeheizt wird die Inflationsspirale von den massiven Preissteigerungen bei Strom, Gas, Treibstoffe, Rohstoffe. Doch auch viele andere Produkte und Dienstleistungen werden teurer, denn die Betriebe geben die Kostensteigerungen bei Energie und Rohstoffen vermehrt an die VerbraucherInnen weiter. Auch der Gang in den Supermarkt oder der Besuch in der Gastronomie wird zusehends teurer. Der erhöhte Preistrend belastet überproportional jene in der Bevölkerung, die weniger wohlhabend sind.

Die Anzahl derjenigen, die das Problem für vorübergehend halten schwindet zusehends. Denn eine der wichtigsten Ursachen für den Preisauftrieb ist in Konstruktionsfehlern bei Wettbewerb und Marktwirtschaft zu suchen und zu finden. Gar einige Ökonomen unterstreichen, dass Zentralbanken den Markt nicht über viele Jahre unablässig mit Geld fluten können, ohne dass sich das irgendwann in steigenden Preisen niederschlägt. Jetzt scheint dieser Moment gekommen.

Heute sehen sich die Kleinsparer mit der Situation konfrontiert das Ersparte in riskante Anlagen zu investieren, in denen man auch gewinnen, doch auch ganz viel verlieren kann, oder zuschauen zu müssen, wie das Angesparte Jahr für Jahr an Wert verliert. Leider gibt es nur wenige Anlagemöglichkeiten die vor der Inflation schützen, die Abfertigung ist eine davon. Auf halbwegs sichere Anlagen gibt es seit Jahren keine Zinsen mehr, immer häufiger werden sogar Negativzinsen fällig. Bei anziehender Inflation bedeutet das eine systematische Enteignung des Kleinsparers, während die Inhaber großer Vermögen von der Kursrally auf den Finanzmärkten profitiert haben und das Anlageportfolio so diversifizieren können, dass Rückschläge kein Drama sind. Die Kombination von Inflation und Nullzinsen ist die beste Voraussetzung für die Finanzkonzerne um ihre Gewinne zu maximieren. Damit wird die gesellschaftliche Ungleichheit vergrößert und das geht vor allem zulasten der Mittelschicht.

Inflation frisst Erspartes, Löhne und Renten der Mittelschicht auf

6,2% Prozent Inflation lassen sich aushalten, wenn die Löhne und Renten zumindest im gleichen Maße steigen. Die goldene Regel „Inflation plus Produktivitätswachstum“ kann separat besprochen werden. Für viele Berufsgruppen sind Lohnsteigerungen, die mit den derzeitigen Preissteigerungen mithalten, kaum vorstellbar. Dafür sind Arbeitsmarkt und Arbeitsverträge viel zu fragmentiert und die Gewerkschaften zu schwach. Das führt zu sinkendem Wohlstand für Otto Normalverbraucher und wachsende Armut für diejenigen, die es schon schwer haben. Es bedeutet auch, dass die Kaufkraft für alle Güter und Dienstleistungen, die nicht zum Grundbedarf zählen, geringer wird. Aber das wird bei diesen Gütern nur dann zu sinkenden Preisen führen, wenn der Wettbewerb stark ist. Genau das aber ist in unserer Wirtschaft in immer weniger Bereichen der Fall. Denn es gibt immer mehr Märkte, in denen wenige Anbieter eine dominante Stellung haben, dass sie das Preisniveau steuern und bestimmen können. Dieser Trend, der durch die Digitalisierung begünstigt und durch ineffiziente oder komatöse Aufsichtsbehörden ermöglicht wurde, hat durch die Coronakrise einen massiven Schub erhalten.

Begünstigt werden steigende Preise zusätzlich dadurch, dass scheinbar selbständige große Unternehmen immer häufiger die gleichen dominanten Anteilseigner haben. Dass der zunehmende Einfluss von BlackRock (Vermögensverwalter des Zusatzrentenfonds Laborfonds), Vanguard und Co. Wettbewerb unterbindet und die Preise hochtreibt, ist schon 2016 in amerikanischen Studien untersucht und nachgewiesen worden. Geschehen ist nichts, im Gegenteil, die Politik hat durch Rentenkürzungen und Zusatzrenten alles dafür getan, die Macht dieser Finanzgiganten weiter zu erhöhen. Aus all diesen Gründen sind zumindest in Teilbereichen signifikante Preissteigerungen auch bei stagnierenden Löhnen möglich.

Was tun?

Eigentlich wäre jetzt die Politik am Zug. Denn es scheint so zu sein, dass der immense Schuldenberg durch Inflation zu Lasten der Mittelschicht abgetragen werden soll. Die Enteignung der Mittelschicht ist zu stoppen und durch einen Schnitt auf Kosten derer, die von den Schulden profitiert haben zu ersetzen. Dabei ist bei der Steuerhinterziehung und beim Steuersystem anzusetzen. Das italienische Steuersystem ist darauf ausgerichtet, die Ungleichheit zu vergrößern. Für die 5 % der Bevölkerung mit den höchsten Einkommen ist es sogar regressiv: In der Praxis sinkt der von diesen Steuerzahlern gezahlte Durchschnittssteuersatz mit steigendem Einkommen, so dass er bei denjenigen, die mehr als 500.000 Euro verdienen, bei etwa 37 % endet. Dies ist weniger als der Satz, der für die unteren Schichten der Pyramide gilt. Diese Ergebnisse ergibt eine Studie, die kürzlich vom Institut für Wirtschaftswissenschaften der Scuola Superiore Sant'Anna veröffentlicht wurde. Abhilfe könnte eine Vermögenssteuer schaffen.

Dass nicht der Normalbürger der Profiteur der Schuldenpolitik war, lässt sich an der Vermögensstatistik ablesen. Während die Vermögen der Mittelschicht in allen europäischen Ländern tendenziell nach unten zeigen, sind die Vermögen der oberen zehn Prozent seit der Jahrtausendwende geradezu explodiert.

Auch muss die Politik alles dafür tun, dass Märkte und Wettbewerb in unserer vermeintlichen Marktwirtschaft wieder halbwegs funktionieren. Und sie darf nicht selbst als Preistreiber auftreten, sondern sollte gut aufpassen, nicht den Monopolen in die Hände zu spielen.

Der Geschäftsführer des Verbraucherschutzvereins Robin, Walther Andreaus meint dazu: „Eigentlich muss man sich nicht mit den aktuellen Preissteigerungen noch mit Negativzinsen für Kleinsparer abfinden. Die Politik muss einen Ausweg suchen und diesen auch gegen Widerstände der Wohlhabenden durchsetzen.“

 

24. Febr. 2022