Digitale Selbstbestimmung

 

Wie behalten wir die Souveränität über unsere Daten?

 

Wikipedia erklärt sehr gut, was es mit der informationellen Selbstbestimmung auf sich hat: „Die Selbstbestimmung bei der freien Entfaltung der Persönlichkeit werde gefährdet durch die Bedingungen der modernen Datenverarbeitung. Wer nicht wisse oder beeinflussen könne, welche Informationen bezüglich seines Verhaltens gespeichert und vorrätig gehalten werden, werde aus Vorsicht sein Verhalten anpassen (..). Dies beeinträchtige nicht nur die individuelle Handlungsfreiheit, sondern auch das Gemeinwohl, da ein freiheitlich demokratisches Gemeinwesen der selbstbestimmten Mitwirkung seiner Bürger bedürfe.“

Die Harvard-Ökonomin Shoshana Zuboff ist auch dieser Meinung und zeichnet ein unmissverständliches Bild der neuen Märkte. Dabei sind Menschen nur noch Quelle eines kostenlosen Rohstoffs - Lieferanten von Verhaltensdaten. Es liegt an uns wie wir das Digitale meistern: als Sklaven oder autonome Wesen.

 

Uns fehlt zunehmend die Souveränität

Wie finde ich den besten Weg ins Coronatestzentrum? Google Maps ist schon informiert und weiß Bescheid. Was koche ich, welches Ziel peilen wir am Wochenende an, wie wird das Wetter? Die Suchmaschine gibt eine Vielzahl von Antworten. Die diesbezüglichen Entscheidungen treffen wir nicht anonym; dass uns im Internet wahrscheinlich ständig irgendjemand, irgendetwas über die Schultern schaut – und etwas mit den Informationen anfängt, die beim Suchen, Klicken und Scrollen zutage treten überrascht uns nicht wirklich. Doch Shoshana Zuboff zeichnet im Buch „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ ein düsteres Bild und meint: Unternehmen wie Google stehlen menschliche Erfahrungen, machen sie zu Geld – und haben damit das Zeitalter des Überwachungskapitalismus eingeleitet. Darin sei uns etwas abhandengekommen, was für Demokratie wesentlich ist: Souveränität.

 

Das eigentliche Produkt von Firmen wie Google seien Vorhersagen über unser Verhalten; über das, was wir später mal kaufen, aber auch fühlen werden. Das Gefährliche: Aus unseren Daten ergeben sich jede Menge Möglichkeiten, unser Verhalten nicht nur vorauszusagen, sondern auch zu manipulieren. Längst seien Unternehmen von der Beobachtung zur Beeinflussung übergegangen, stellt Zuboff fest. Es gehe beim Sammeln der Daten nicht nur darum, das Produkt oder die Dienstleistung zu verbessern.

Warum lassen wir uns das alles gefallen? Shoshana Zuboff hat darauf eine einfache Antwort: Wir wissen nichts von alldem. Uns ist nicht bewusst, dass und wie unsere Emotionen und unser Verhalten manipuliert werden. Und genau damit verliert das Individuum seine Souveränität – denn es handelt nicht mehr eigenständig und selbstbestimmt.

 

Es gibt noch Hoffnung

Die gute Nachricht, die Shoshana Zuboff überbringt: Der Überwachungskapitalismus kann entmachtet werden. Sie weist darauf hin, dass viele offensichtlich destruktive Märkte bereits illegal sind, darunter der Handel mit Organen, menschlichen Sklaven oder Kindern. Auch der Handel mit unseren Erfahrungen sollte verboten werden.

Das Fazit des Geschäftsführers des Verbraucherschutzvereins Robin, Walther Andreaus: „Privatsphäre ist nicht nur eine Frage von Information, Zustimmung und Recht, sondern vor allem eine politische. Sie gilt es also gemeinsam zu bewältigen.“

 

Zeit also auch, einige wichtige Punkte zur digitalen Mündigkeit zu berücksichtigen, wie sie beispielsweise der Verein Digitalcourage vorschlägt:

 

E-Mail und Chat

  • Benutzen Sie ein sicheres E-Mail-Postfach. Nutzen Sie kleine, europäische Anbieter wie posteo.de oder mailbox.org, die in Transparenzberichten Behördenanfragen offenlegen und die Sicherheitsstandards DANE und DNSSEC umgesetzt haben.

  • Verwalten Sie Ihre Mails nicht im Browser. Installieren Sie einen E-Mail-Client wie z.B. Thunderbird (PC) oder k-9 Mail/FairEmail (Android). Siehe: mozilla.org/thunderbird, k9mail.github.io, email.faircode.eu

  • Chatten Sie nicht über Facebook, WhatsApp, Telegram oder Treema. Nur quelloffene Software verdient Ihr Vertrauen, Benutzen Sie am besten das dezentrale Protokoll XMPP (Jabber) mit OMEMO-Verschlüsselung, z.B. mit Gajim (Windows/Linux), Adium (Mac), Conversations/Pix-Art Messenger (Android) oder ChatSecure/Monal (iOS). Bequemer ist Signal, das allerdings ihr Adressbuch auf einem zentralen Server abgleicht. Siehe: digitalcourage,de/messenger

Suchmaschinen

  • Probieren Sie statt Google einmal Metager.de oder eine Sarx-Instanz

    wie searx.info.

  • Statt auf Google Maps können Sie sich mit openstreetmap.org orientieren.

Anonym und sicher surfen

  • Wie beim Onlinebanking achten Sie beim Surfen darauf, dass hinter dem „http“ in der Adresszeile immer ein „s“ steht. Schreiben Sie bei Bedarf ein „s“ dazu. Dann kann niemand „unterwegs“ Ihre Daten mitschnüffeln - „s“ steht für secure, die Verbindung ist verschlüsselt. Siehe eff.org/https-everywhere

  • Blockieren Sie gleichzeitig Werbung, Tracking und Schadcode mit dem Firefox-Add-on uBlock Origin, dem besten Breitband-Blocker. addons.mozzilla.org/de/firefox/addon/ublock-origin

  • Hindern Sie Websites daran, Ihnen hinterherzuschnüffeln. Während uBlock Origin mit Listen arbeitet, versucht der Privacy Badger schnüffelnde Drittwebsites an ihrem Verhalten zu erkennen und blockiert diese, ohne Ihr Surferlebnis zu beeinträchtigen. Fortgeschrittene haben mit NoScript die volle Kontrolle über geladene Inhalte. Siehe: eff.org/privacybadger, noscirpt.net

  • Sind Sie über Ihren Browser wiedererkennbar? Testen Sie Ihren Browser-Fingerabdruck. Ist er einzigartig, können sie leicht wiedererkannt werden. panopticlick.eff.org

  • Beschränken Sie Cookies. Verbieten Sie in jedem Fall, dass Cookies „von Drittanbietern“ akzeptiert werden. Am besten stellen Sie Ihren Browser so ein, dass beim Beenden alle Cookies gelöscht werden. Das Add-on „Cookie AutoDelete“ löscht sie, sobald sie nicht mehr benötigt werden. addons.mozzilla.org/de/firefox/addon/cookie-autodelete

  • Surfen Sie im Internet über das Anonymisierungsnetzwerk Tor. Sie können sich den Tor-Browser kostenlos beim Tor-Projekt herunterladen. torprojekt.org

Digitale Mündigkeit

  • Hinterfragen Sie ihre digitalen Handlungen. Stellen Sie sich immer die Frage: Wenn ich das jetzt mache, wer hat außer mir einen Nutzen davon? Möchte ich das wirklich? Und warum ist das so schwer zu erkennen?

  • Hinterfragen Sie kostenlose Dienste. Machen Sie sich stets bewusst, dass Sie hier oft in einer anderen Währung bezahlen: mit Ihren Daten und Ihrer Freiheit.

  • Nutzen Sie vertrauenswürdige Clouddienstleister mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wie yoursecurecloud.de. oder betreiben Sie Ihre eigene Cloud mit Nextcloud oder Seafile – am besten zuhause.

  • Nutzen Sie freie Software: Linux statt Windows, LibreOffice statt Microsoft Office, Firefox statt Chrome, Thunderbird statt Outlook. prism-break.org/de

  • Sein Sie immer vorsichtig: Hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben.

  • Wichtig ist auch, dass sie politischen Einfluss nehmen. Sagen Sie klar NEIN zu Überwachung.

  • „Mündigkeit ist ein Muskel, der trainiert werden muss.“ (Leena Simon-Digitalcourage).

 

12. Mai 2021