Südtirols Gemeinressource: Europas teuerster Strom und seine ungerechte Nutzung

Ratschläge für VerbraucherInnen

Was Verbraucherschützer seit Jahrzehnten predigen ist durch das Vergleichsportal Verivox bestätigt (APA und Rai Südtirol haben berichtet), ja sogar übertroffen worden. Nunmehr zahlen wir in Italien und somit in Südtirol nicht nur Spitzenstrompreise, sondern liegen im ersten Quartal 2024 die Strompreise für Haushaltskunden europaweit auf Platz eins.

Dies ist besonders bedenklich, da der Strom in Südtirol aus Wasserkraft gewonnen wird, einer wertvollen Gemeinressource. Trotzdem werden den Südtiroler Familien Spitzenpreise abverlangt, anstatt von den autonomen Gestaltungsmöglichkeiten des Autonomiestatuts Gebrauch zu machen.

Ein zentrales Problem ist die undurchsichtige Darstellung der Strompreise. Anders als bei Produkten im Supermarkt, die nach Einheitspreisen ausgezeichnet sind, fehlt es im Strommarkt an vergleichbaren Standards. Trotz der Bemühungen die Stromrechnung mit der sogenannten "zusammenfassenden Stromrechnung" transparenter zu gestalten, bleibt die Energierechnung für die meisten ein unverständliches Dokument. Ja sie wurde durch diese Operation noch länger. Sie ist jedoch der erste Schritt, um unseren tatsächlichen Verbrauch zu verstehen und zu beurteilen, ob wir unseren Strom- und Gasvertrag oder den Anbieter wechseln sollten.

Aktuelle Zahlen verdeutlichen das Ausmaß der Problematik. Im geschützten Markt, wo die Preise staatlich reguliert sind (durch die Aufsichtsbehörde Arera), werden Verbraucher im zweiten Trimester 2024 mit einem Durchschnittspreis von 20,24 Cent pro Kilowattstunde (kWh) konfrontiert. Im Gegensatz dazu bietet der freie Markt, der vermeintlich mehr Wettbewerb ermöglichen sollte, jedoch durchwegs höhere, teilweise bedeutend höhere Preise.

Angesichts dieser Herausforderungen ist es für Verbraucher entscheidend, sich gegen die Unklarheiten zu wappnen. Hier sind einige Empfehlungen:

  1. Einheitspreisvergleich: Verbraucher sollten nach dem Preis pro Einheit für Strom und Gas (Cent pro Kilowattstunde kWh oder Euro/m3) vorgehen, um verschiedene Angebote vergleichbar zu machen. Dies ermöglicht eine Bewertung der Stromtarife. Dazu braucht nur die Gesamtsumme der laufenden Stromrechnungen durch den Verbrauch (kWh) dividiert werden (ohne die Fernsehgebühr).

  2. Der Stromtarif im geschützten Markt setzt sich aus Energiekosten (45,5% der Gesamtkosten), Kosten der Dienste des Verteilernetzes/Zählerverwaltung (22,4%), allgemeine Systemkosten (19,1%) und Steuern (13%) zusammen. Auf dem freien Markt werden meistens nur die Energiekosten angeführt, und auch jene oft unvollständig und der Rest ausgeklammert. Im geschützten Markt beträgt der Energiepreis 12,209 Cent/kWh.

  3. Die Wahl des Stromtarifs ist daher entscheidend für Einsparungen: Je höher die kWh-Kosten, desto mehr müssen Sie für Strom bezahlen. Für Kunden auf dem geschützten Markt (noch bis 30. Juni 2024 und dann „Tutele Graduali“ bis 31. März 2027, in Südtirol wurde der Wettbewerb von Enel Energia gewonnen) ist der Strompreis für alle gleich und ändert sich alle drei Monate (ab 1. Juli gibt es dann nach Makroregionen unterschiedliche Preisabschläge). Die Kosten pro kWh auf dem freien Markt werden dagegen von den einzelnen Stromversorgern festgelegt. Bis zum 30. Juni haben Stromkunden mit einem Vertrag des freien Marktes das Recht zum Grundversorgungsdienst des geschützten Marktes zurückkehren. Wenden Sie sich dazu an den Betreiber des geschützten Marktes Ihrer Gemeinde. Wird das Recht der Rückkehr verwehrt, so bestehen Sie darauf und wenden sich an die Aufsichtsbehörde Arera.

  4. Sie können im freien Strommarkt einen Strompreis vereinbaren der fix bleibt oder variabel ist (an einen Index gebunden ist - meistens PUN).

    Bei Verträgen zum Fixpreis handelt es sich um solche, bei denen der Preis für die Energiekomponente für einen bestimmten Zeitraum, mindestens jedoch für 12 Monate, festgelegt wird. In der Regel folgen die anderen Komponenten (Verteilernetz/ Zählerverwaltung und allgemeine Systemkosten) den von der Aufsichtsbehörde Arera festgelegten Tarifaktualisierungen; die Verträge können die Zahlung eines Betrags durch den Kunden vorsehen, wenn dieser vor Ablauf der Vertragslaufzeit vom Vertrag zurücktritt (vorzeitiger Rücktritt).

    Bei Verträgen mit variablem Preis handelt sich sich um jene, bei denen sich der Preis für die Energiekomponente in bestimmten Zeitabständen automatisch an die Entwicklung eines Indexes oder eines Referenzpreises anpasst, der in der Regel die Preisschwankungen auf den Großhandelsmärkten widerspiegelt.

  5. Achtung auf die verschiedenen Boni: oft dienen sie nur als Köder.

Walther Andreaus, Geschäftsführer des Verbraucherschutzvereins Robin, betont die Dringlichkeit einer transparenten und fairen Strommarktpolitik. Er fordert die Aufsichtsbehörde Arera und die Stromverkäufer auf, bei ihren Vergleichen die Kosten pro Einheit transparent zu gestalten und damit den Verbrauchern eine informierte Entscheidungsgrundlage zu bieten. Trotz der Möglichkeit einer einfachen Gesetzesänderung zur Verbesserung der Markttransparenz bleibt die Politik untätig. Diese Untätigkeit benachteiligt Familien, Haushalte und Betriebe in Südtirol. Leider schaut hier auch die Landespolitik nur zu und nimmt ihre Kompetenzen durch das Autonomiestatut nicht war. Neben der Verwaltung der Stromkonzessionen läßt diese nämlich auch eine autonome Gestaltung der Strompreise zu, wie Gutachten namhafter Professoren bestätigen. Doch die letzten Landesregierungen liefern die Stromkunden lieber dem komplett intransparenten und gierigen Strommarkt aus.

Weitere Infos unter www.robinreport.it, Rubrik “Robinreport”

07. Mai 2024